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Wie ein physikalisches Verfahren das Bierbrauen revolutionieren könnte

Neubrandenburg, 22. Oktober 2024 – Sabrina Scharf (M.Sc Lebensmittel- und Bioprodukttechnologie) misst die Wassertemperatur – 30,1 Grad Celsius –, gibt dann Gerstenmalz in ein mehrere Kilogramm schweres und 20 x 10 x 20 Zentimeter großes Behältnis, gießt das Wasser dazu und verrührt alles miteinander. Dies dient als Vorbereitung des Maischeprozesses beim Bierbrauen und kann einige Zeit in Anspruch nehmen.

Forschende haben weiteres physikalisches Verfahren im Blick

Dieses Behältnis, auch Zelle genannt, besteht aus zwei dicken Elektroden an den gegenüberliegenden Längsseiten. Es ist eine PEF-Zelle. PEF steht für gepulste elektrische Felder und bezeichnet das physikalische Verfahren, das an der Hochschule Neubrandenburg im Rahmen des WIR!-Bündnisses PHYSICS FOR FOOD angewendet wird. Während es im dazugehörigen Leitprojekt PHYSICS FOR STORAGE & FOOD um die weiteren Verarbeitungsschritte der Gerste nach der Ernte geht – zum Beispiel wird Braugerste mit Plasma behandelt, um Produktionskosten und -zeiten beim Mälzen einzusparen – kümmern sich Sabrina Scharf und Prof. Dr. Michael Sandmann um die folgenden Verarbeitungsschritte –  Extraktionsvorgänge bei Malz und Hopfen sowie die Effekte von der Anwendung gepulster elektrischer Felder auf die mikrobiologische Stabilität des Endproduktes, in diesem Fall des Bieres. Sie erforschen, inwieweit gepulste elektrische Felder helfen, den Maischeprozess zu verbessern und zu beschleunigen.

So funktioniert die Methode

Gepulste elektrische Felder sind laut Michael Sandmann, der die Professur für Lebensmittelbioverfahrenstechnik an der Hochschule Neubrandenburg begleitet, ein gängiges Verfahren beispielsweise in der Kartoffelindustrie. „Zellen in einem Gewebe enthalten sowohl im Inneren als auch im Äußeren verschiedene Ionen. Zwischen diesen Ionen bestehen von Natur aus ein elektrisches Feld von geringer Stärke. Werden diese elektrischen Felder mittels sehr kurzer Hochspannungs-Impulse zwischen zwei Elektroden verstärkt, können Zellmembranen durchlässig werden. Zunächst bilden sich Poren, was zu einer Öffnung der Zelle führt. Daraus resultiert ein erleichterter Stoffaustausch aus der Zelle nach außen oder von außen in die Zelle. Wichtig ist: je mehr Wasser in den Geweben ist, desto besser läuft dieser Prozess ab“, erläutert er.

PEF bietet zahlreiche Vorteile

In Bezug auf die Kartoffelindustrie bedeutet es für die Pommes-Frites- und Chipsproduktion, dass die PEF-Technologie als Vorbehandlung dient. Nach der PEF-Behandlung müssen die Kartoffeln, nicht wie üblich vor dem Schneiden, vorgewärmt werden. Nebenbei sind die Schnittflächen der Kartoffeln ebener. So können insgesamt Kosten eingespart sowie der Wasser- und Energiebedarf verringert werden. Außerdem sind geringere Temperaturen fürs Frittieren nötig, das sich positiv auf den Fett- und Acrylamidgehalt auswirkt.

„Der Vorteil von PEF ist außerdem, dass zum Beispiel hitzeempfindliche Bestandteile wie Vitamine oder Pflanzenfarbstoffe erhalten bleiben und so den Konsumenten weiter zur Verfügung stehen“, berichtet Prof. Michael Sandmann. PEF gehört zu den nicht-thermischen Verarbeitungsverfahren, die wenig Energie benötigen, um dieselben Effekte wie die Erhöhung der Haltbarkeit zu erzielen, die sonst durch thermische Verfahren wie Pasteurisieren erreicht werden.

Im Falle der Braugerste nimmt die Extraktionsausbeute im Maischeprozess, bei dem Kohlenhydrate aus dem Gerstenmalz gelöst und in Zucker umgewandelt werden, durch die PEF-Behandlung um ca. 7 Prozent zu, während die Prozessdauer bei einem anderen Ansatz um bis zu 30 Prozent verkürzt werden kann, haben Sabrina Scharf und Prof. Michael Sandmann herausgefunden.

Alles hängt letztlich am Geschmack der Konsumenten

Doch all diese positiven Entwicklungen bringen letztlich nichts, wenn der Geschmack beziehungsweise Aromen durch das Verfahren derart verfälscht oder gar neu entstehen, die Kunden am Ende daran hindern, das Produkt zu kaufen. Genau an dieser Stelle setzen die Forschungen von Prof. Michael Sandmann und Sabrina Scharf an: Sowohl durch instrumentelle als auch humansensorische Analytik – also auch mithilfe von Testpersonen, die das am Ende gebraute Bier im Geruch bewerten – ermittelt das Forscherduo die letztlich entstandenen Aromastoffe.

Ganz entscheidend ist dabei im Übrigen der Hopfen. Auch dieser Schritt beim Bierbrauen ist durch die Forschenden betrachtet worden und hat nach ihrer Aussage herausragende Ergebnisse mit der PEF-Behandlung erzielt, die in den nächsten Monaten veröffentlicht werden. „Wir sind damit die erst zweite Forschungsgruppe, die sich mit der Wirkung von PEF am Beispiel der Hopfenextraktion beschäftigt hat und dazu publizieren wird“, betont Prof. Michael Sandmann, der sich gemeinsam mit Sabrina Scharf Schritt für Schritt in dieses Thema hineingearbeitet hat. Es sind Geräte angeschafft worden, um das Analyseverfahren durchführen und verfeinern zu können. Denn wer hätte gedacht, dass sich das Aroma – also der Geruch eines Bieres – aus mehreren Hundert flüchtigen Aromabestandteilen zusammensetzen kann? Hierbei gilt es die passende Balance zu halten – zwischen dem Einsatz des PEF-Verfahrens und dem Kundengeschmack – und das ist eine Wissenschaft für sich.

Sabrina Scharf (M.Sc Lebensmittel- und Bioprodukttechnologie) arbeitet im Labor. Foto: INP

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