Neubrandenburg, 06. August 2024 – Grannen bringt Anna Wendland gern mit nach Hause, wenn auch unfreiwillig, wie die Masterstudentin für Nachhaltiges Agrarmanagement an der Hochschule Neubrandenburg hinzufügt. Doch ihre Arbeitstage bestehen gerade aus Ähren und Spindelstufen, die es zu zählen gilt – und an den Ähren sind viele Grannen, die leicht abbrechen und sich in der Kleidung festsetzen. Beutelweise bringt Alicia Krause die Ähren zum Tisch, an dem Anna Wendland sitzt. Sie zieht eine Stichprobe von 25 Ähren aus dem Beutel nimmt sich eine Ähre, fährt mit der Spitze des Kugelschreibers über die einzelnen Spindelstufen und trägt die ermittelte Anzahl in eine Tabelle ein. Um mögliche Schwankungen in den Zählungen zu vermeiden, gibt es nur eine Zählende pro Saison. „Das erfordert eine Menge Konzentration. Das Zählen ermüdet mit der Zeit“, sagt Anna Wendland.
Im Sinne der Forschung und auch der Ziele des WIR!-Bündnisses PHYSICS FOR FOOD unterstützt die Neubrandenburgerin gern dabei, herauszufinden, inwieweit physikalische Methoden in der Landwirtschaft eine Alternative für den Einsatz chemischer Mittel sein können.
Die letzten Daten werden gesammelt
Im Leitprojekt PHYSICS FOR CROPPING SYSTEMS, unter der Leitung von Prof. Eike Stefan Dobers von der Hochschule Neubrandenburg, neigt sich damit die letzte Erntesaison dem Ende. Im vergangenen Anbaujahr ist die Wintergerste nach dem Drillen einmal, zweimal, dreimal oder kein einziges Mal entweder mit Plasmawasser – vom Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP) – oder UV-Licht behandelt worden. Vor ein paar Wochen hat letztmalig die Handernte stattgefunden. Drei Mitarbeiterinnen aus dem Leitprojekt haben hierfür stundenlang parzellenweise Gerste in Papiersäcke verpackt. Und diese Papiersäcke sind es nun, die Alicia Krause und Lukas Kalz leeren, Ähren von den Halmen trennen und die Ähren zählen, bevor deren Spindelstufen gezählt werden.
Landwirtschaft und Forschung sind Trumpf
Landwirtschaft ist das Steckenpferd dieser beiden Helfenden, die beide mit Mitte 20 in den letzten Zügen ihre Masterstudiengangs ebenfalls im Nachhaltigen Agrarmanagement stecken. Zuvor haben sie den dualen Bachelorstudiengang Agrarwirtschaft absolviert und sich parallel zur Landwirtin bzw. Landwirt ausbilden lassen. „Landwirtschaft vereint einfach so viele Bereiche wie Biologie, Chemie oder Betriebs- und Volkswirtschaftslehre“, zählt Alicia Krause auf. Als Landwirtin habe man heutzutage enorm viele Aufgaben zu bewältigen. „Der Gedanke, dass der Landwirt den ganzen Tag auf den Trecker sitzt und in Ruhe sein Feld bewirtschaftet, stimmt längst nicht mehr“, sagt Lukas Kalz. Als Geschäftsleute hätten die Landwirtinnen und Landwirte im wahrsten Sinne des Wortes viel auf dem Tisch und kämpften mit Bürokratie, Vorgaben und Vorschriften. Mit einer Feldbestellung allein sei der Job nicht getan.
Innovation und Umweltschutz gehen Hand in Hand
Nichtsdestotrotz schätzen Lukas Kalz und Alicia Krause diese Arbeit, insbesondere, wenn sich die Landwirtschaft offen gegenüber innovativen Verfahren wie der UV- oder Plasmabehandlung zeigt. Denn Nachhaltigkeit sei das A und O, es müssten Alternativen her und gleichzeitig auch die Bereitschaft der Landwirtinnen und Landwirte stimmen, Dinge einfach auch anders machen zu wollen. Das Bündnis PHYSICS FOR FOOD forscht an diesen Möglichkeiten und bald wissen auch die Projektmitarbeitenden abschließend, wie sich der Einsatz physikalischer Methoden bezahlt machen kann.