Greifswald/Stralsund, 1. März 2024 – Die ersten Versuche sind angelaufen, Dr. Marcel Schneider vom Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP) in Greifswald blickt zufrieden: Mitten auf dem Betriebsgelände der Braumanufaktur Stralsund stehen er, seine Kollegin Johanna Striesow sowie Lennart Streese vom Berliner Projektpartner Harbauer GmbH am 20-Fuß-Schiffscontainer, in dem für das Leitprojekt PHYSICS & ECOLOGY unzählige Rohre, Schläuche, Ventile, Sensoren und auch Anzeigen verbaut worden sind. Lennart Streese kommt aus Berlin regelmäßig nach Vorpommern, um die INP-Wissenschaftler bei den Versuchen in Stralsund zu begleiten. Die Beteiligten der beiden Projektpartner schätzen den engen Austausch und die Zusammenarbeit. Und Lennart Streese ist es auch, der die großen Behälter neben dem Schiffscontainer kontrolliert. Diese Behälter sind notwendig: Denn das Abwasser der Brauerei wird aus dem Abwasserkanal in zwei Vorlagebehälter gepumpt, von dort in die biologische Reinigungsstufe – der dritte Behälter – und anschließend weiter in den Demonstrator. Nach der Behandlung im Demonstrator wird das Wasser wieder zurück in den Abwasserkanal geleitet.
Effektivität und Effizienz im Fokus
Für die Versuche selbst werden momentan etwa 400 Liter Brauereiwasser in der Stunde behandelt. Projektleiter Dr. Marcel Schneider schließt bei seinen wöchentlichen Besuchen die Plasmaquelle an. Dieses Mal ist es eine andere als sonst. Die Erforschung von Plasma zur Wasseraufbereitung nimmt in seinem Leitprojekt gemeinsam mit Ultraschall einen exponierten Platz ein. Denn es handelt sich dabei um innovative Methoden, die mit etablierten Methoden wie UV-Licht oder Ozonung zur Wasseraufbereitung verglichen werden. Effektivität und Effizienz in Bezug auf Energieverbrauch, Kosten und Nutzen stehen im Vordergrund.
Verschiedene Plasmaquellen werden erforscht
Ob die nun angeschlossene Plasmaquelle im Vergleich zur zuvor genutzten Quelle zum Beispiel weniger Energie benötigt, bei zumindest gleichbleibendem Behandlungserfolg, soll mit dem Versuch unter anderem ermittelt werden. „Wir wollen uns nicht nur auf eine Plasmaquelle beschränken, sondern auch andere vielversprechende Ansätze verfolgen, um eine optimale Behandlung zu erreichen, sprich eine hohe Effektivität bei möglichst hoher Energieeffizienz, also letztlich mit geringem Energiebedarf. Gerade im Hinblick auf die Skalierung der Plasmaquellen ist der Energiebedarf neben anderen Faktoren natürlich ein wichtiges Kriterium“, erläutert Dr. Marcel Schneider.
Unternehmen mit unterschiedlichen Zielen
Mit dem neuen Standort Stralsund sind die Forschenden zunächst mit anderen Herausforderungen konfrontiert als zum Beispiel am Standort der Zuckerfabrik in Anklam, wo der Demonstrator auch einige Monate gestanden hatte. Den Betreibern der Zuckerfabrik war es um die Aufbereitung des Prozessabwassers gegangen, welches bei der Rübenwäsche und anderen Produktionsschritten anfällt, um dieses dann z.B. als Kühlwasser weiterverwenden zu können. Dabei hatte das Unternehmen insbesondere bakterielle Verunreinigungen im Blick, die durch die innovative Wasseraufbereitung eben keine Chance haben sollten. Bei der Braumanufaktur Stralsund hingegen geht es um die Reduktion der Gebühren für die Einleitung des Abwassers aus der Produktion und dem Restaurant ins kommunale Entsorgungsnetz. Dafür müssen bestimmte Grenzwerte eingehalten werden, da andernfalls höhere Einleitegebühren drohen. Nicht nur die Ziele der beiden Unternehmen unterscheiden sich, sondern auch die Zusammensetzung ihrer Abwässer ist anders. Das kann laut Dr. Marcel Schneider ebenfalls einen Einfluss auf die Behandlung haben. „Genau das ist für uns wichtig: Die Erprobung und Validierung der Behandlungsverfahren unter wechselnden Bedingungen“, fasst er zusammen.
Ziel: Neue Anwendungen in der Wasseraufbereitung
„Wir sind zuversichtlich, dass der Einsatz von Plasma beispielsweise auch an diesem Standort Effektivität und Effizienz zeigen wird“, blickt Dr. Marcel Schneider voraus. Er betont, dass es für PHYSICS & ECOLOGY von großem Interesse ist neben Plasma auch weitere Verfahren zu untersuchen. „Wir wollen neue Anwendungen erschließen und aufzeigen, dass zum Beispiel die Wiederverwendung des Prozesswassers in der Zuckerfabrik möglich ist“, sagt er. In der Zukunft könnten im Übrigen noch weitere Standorte für die Forschung in Betracht kommt, stellt er in Aussicht.