Greifswald, 18. Juni 2024 – Dr. Andreas Jacobi ist auf seinem Feld bei Bernburg (Saale) – in Sachsen-Anhalt – unterwegs. Ihm stehen einige Helfer zur Seite, die ihn beim Zählen unterstützen. Dem Pflanzenzüchter von der Firma Saatzucht Bauer GmbH & Co. KG und den Mitarbeitenden geht es in diesen Tagen um die sogenannten ährentragenden Gerstenhalme. Wie viele sind pro Parzelle zu zählen? Gibt es einen Schädlings- oder Pilzbefall? Und vor allem, welche Parzellen sind womit und wie sehr und ob überhaupt betroffen? Diese Ergebnisse – letztlich von insgesamt 5 Standorten in Deutschland – werden gespannt erwartet.
Momentan ist der zweite Feldversuch in vollem Gange
Sowohl das Unternehmen – Projektpartner im Leitprojekt PHYSICS FOR SEED TREATMENT – als auch Dr. Nicola Wannicke, Leitprojektleiterin vom Leibniz-Institut für Plasmaforschung & Technologie e.V. (INP) in Greifswald – sind an diesen Daten interessiert. Wenngleich diese Werte erst ein weiterer Zwischenschritt sind, denn die phytopathologische Analyse der ersten Ernte im vergangenen Jahr steht noch aus. Aktuell läuft der zweite Feldversuch mit plasmabehandeltem Saatgut der Gerste und des Weizens, der dann nach der Ernte auch erst noch ausgewertet werden muss.
Forschende haben vor allem zwei Erreger im Blick
Die bisherigen Beobachtungen sind allerdings äußerst vielversprechend, betont Dr. Nicola Wannicke. In ihrem Leitprojekt geht es in erster Linie darum, Saatgut mit Plasma zu behandeln. Dies geschieht mithilfe verschiedener Plasmaquellen und -intensitäten. Die Fachleute sind in diesem Fall sehr daran interessiert, den Flugbrand bei der Gerste und den Weizensteinbrand beim Weizen einzudämmen. Dabei handelt es sich um vorwiegend samenbürtige Erreger, also Mikroorganismen, die im Saatgut vorhanden sind und somit die Pflanzen schädigen bzw. schwächen können. In Laborversuchen ist die Effektivität von Plasma bereits nachgewiesen worden. Jetzt wird dies im Feld unter realistischen Bedingungen getestet.
Projektergebnisse werden mit Spannung erwartet
„Für uns ist dieses Projekt und gleichzeitig diese Versuche von enormer Wichtigkeit“, betont Dr. Andreas Jacobi. „Die chemische Beize, so gut sie ist, ist aber über die Jahrzehnte in die Kritik geraten“, sagt er. Die Auflagen würden immer strenger. Alternative Methoden seien da sehr willkommen. „Wir haben also ein grundsätzliches Interesse daran, andere Möglichkeiten als auch zum Beispiel die Elektronenstrahlbehandlung zu nutzen. Für uns ist das zunächst eine riesige Blackbox, weil es Forschung ist und wir abwarten und einordnen müssen, was es alles bringt. Es ist jedoch äußerst wichtig für unsere Zukunft“, erklärt Dr. Andreas Jacobi.
Zahlreiche Herausforderungen gilt es zu meistern
Vermeintlich einfache Aufgaben sind dabei enorm schwierig zu lösen. „Es ist fast unmöglich, befallenes Saatgut zu bekommen. Niemand hat Interesse daran, da es dafür verständlicherweise keinen Markt gibt“, erläutert der Experte die Hürden. Allerdings lässt sich die Effizienz der Plasmabehandlung nur stark natürlich infiziertem Saatgut im Feld testen. Als dann endlich befallenes Saatgut in größeren Mengen zur Verfügung stand, ist es mit unterschiedlichen Plasmaanwendungen behandelt worden. Was den Weizensteinbrand betrifft, so seien Feldversuche noch herausfordernder als beim Flugbrand der Gerste. Denn dieser Erreger geht zum Beispiel in den Boden über und da sei es schwierig, überhaupt ein Fleckchen Land zu bekommen, auf dem der Versuch durchgeführt werden kann. Niemand wolle selbstredend seinen Boden damit in Verbindung bringen und zukünftige Ernten in Gefahr bringen. „Außerdem sind Sicherheitsvorkehrungen beim Aussäen notwendig. Es muss per Hand gesät werden und Schutzhandschuhe sind wichtig, damit es nicht zu Querinfektionen kommt, um nicht die Forschungsergebnisse zu gefährden“, zählt Dr. Andreas Jacobi auf.
Plasmaluft könnte Lösung bieten
Dr. Nicola Wannicke verfolgt diese Versuche aufmerksam. Denn die Daten können die Forschenden und die Anwender eine neue Welt öffnen. „Im Labor konnten wir die Erreger von Schneeschimmel beispielsweise zu 100 Prozent mit der indirekten Plasmabehandlung abtöten“, sagt sie. Indirekte Plasmabehandlung heißt, dass das Saatgut mit plasmabehandelter Luft umströmt wird. Plasma und seine dekontaminierende Wirkung wollen sich die Projektpartner nun also im Feldversuch bei Gerstenflugbrand und Weizensteinbrand zunutze machen.